Punks

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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Mahmoud Dabdoub Foto 029-027-059

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"Ich wohne dort, wo die Schizophrenie regiert, dort wo dich jeder Spießer anstiert, dort wo man Mauern baut, sich keiner was zu sagen traut." – L'ATTENTAT: "Friedensstaat" 

Punks

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Punk ist dagegen, Punk macht nicht mit. In der DDR, die darauf ausgelegt war, dass alle mitmachen und dass alle dafür sind, hieß das: Punk macht Probleme und Punk wird bekämpft. 

Eigentlich schade, denn Punks geht es ja nicht nur ums Dagegensein, es geht ihnen auch um Zusammenhalt und Solidarität, um Freundschaft und um den Mut, auch gegen Widerstände für die eigene Sache einzustehen – alles Werte, die ja irgendwie auch die DDR propagierte. So gesehen hätten Punks auch die idealen DDR-Bürger:innen sein können. Glaubst du nicht? Stimmt schon, sowohl die DDR-Punks als auch die SED-Parteispitze hätten auf diese Behauptung wohl mit Empörung reagiert. Aber ich werde in diesem Kapitel erklären, was ich damit meine.

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Ausschnitt aus einer Sendung des DDR-Piratensenders RADIO GLASNOST - AUßER KONTROLLE von 1988, der über eine Westberliner Rundfunkstation oppositionelle Inhalte in die DDR sendete.

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© RADIO GLASNOST

Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Audiobestand, Radio Glasnost: Mitschnitt der Sendung vom 28.11.1988, A-048-2

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1. Anders sein als Lebensentwurf

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Bunt gefärbte Haare, auffällige Klamotten und "too much future" – Punks verkörpern seit Anfang der 1980er Jahre das Gegenteil von braven DDR-Bürger:innen. Sie lehnen Autoritäten ab, wichtig sind ihnen Freiheit und Unabhängigkeit. Stärker können Jugendliche in der DDR nicht provozieren.

Kim aus Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Jahrgang 1964, gehörte zu ersten Generation der DDR-Punks. Die Szene ist hier in der Provinz Anfang der 1980er Jahre gerade erst am Entstehen.

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"Das will ich sein." Woher krieg' ich die Klamotten? Kims Style
Kims erste Begegnung mit Punk
Das (immer irgendwie gelöste) Grundproblem fast aller DDR-Jugendkulturen
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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / ZZI - 081

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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / ZZI - 081

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"Das will ich sein." Woher krieg' ich die Klamotten? Kims Style
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Urheber: Helma Hellinga

https://www.flickr.com/photos/held54/6795475556/in/photostream/

Cc2BYNCSA

Die Vorbilder: Punkerinnen in London, 1981

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Urheber: Helma Hellinga

https://www.flickr.com/photos/held54/6795539232/in/photostream/

Cc2BYNCSA

Punks im englischen Leeds, 1981

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© Privatarchiv Kim Pickenhain

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Kim in ihrer Lederjacke 1983. In ihr fühlt sie sich gewappnet gegenüber der Außenwelt, wie in einer "Rüstung".

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© Privatarchiv Kim Pickenhain

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Kim auf dem Alexanderplatz (Alex) in Ost-Berlin, beliebter Treffpunkt für Punks

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© Privatarchiv Kim Pickenhain

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Kim mit ihrem "kleinen Bruder" auf dem Alex in Ost-Berlin

"Was sollen denn die Leute denken?"

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© Archiv Bürgerbewegung Leipzig / ZZI - 081

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Aufgabe

Das will ich sein!

Kennst du das, was Kim oben erzählt? Erzähle eine kurze Geschichte - echt oder ausgedacht, du musst es nicht verraten - in der es um die Fragen "Wer bin ich?", "Wie möchte ich sein?", "Wie gehe ich mit Ablehnung um?" oder "Was gibt mir die Kraft, zu mir selbst zu stehen?" geht. 

2. Punk in der DDR

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Keine Jugendkultur in der DDR bricht so radikal mit den gängigen Vorstellungen zu Aussehen, Kleidung und Lebensführung. Und niemand klagt in seinen Texten die gesellschaftlichen Probleme der DDR so schonungslos an wie die Punkbands. Da muss man nichts "zwischen den Zeilen lesen" – es wird ganz offen gesungen bzw. geschrien, was einem an diesem Staat und dieser Gesellschaft nicht passt.

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© Christiane Eisler, transit Leipzig

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Punk-Konzerte fanden häufig unter dem Dach und damit dem Schutz der evangelischen Kirche statt. Engagierte Pfarrer oder Sozialdiakone boten den DDR-Außenseiter:innen Möglichkeiten für Auftritte. Das Foto zeigt ein Konzert von WUTANFALL, der ersten Punkband in Leipzig, in der Nikolaikirche, Januar 1983.

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© Christiane Eisler, transit Leipzig

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Die Leipziger Band HAU auf dem Weg in die Leipziger Innenstadt, 1983. HAU steht für "Halbgewalkter anarchistischer Untergrund".

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© Christiane Eisler, transit Leipzig

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HAU spielt mit Bernd Stracke als Sänger und Ratte am Bass 1983 in der Christuskirche Halle.

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© Digitale Lernwelten GmbH erstellt mit Canva

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Einige Namen von DDR-Punkbands

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Aufgabe

Provokante Namen?

Suche dir in der Grafik oben einen Bandnamen aus! Verfasse dann eine kurze ausgedachte Erklärung eines Bandmitglieds, warum man sich diesen Namen gegeben hat. Lass deiner Fantasie dabei freien Lauf, gehe aber auf typische Punkmerkmale wie Provoktion, Spaß, Kritik am Normalen usw. ein!

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SCHLEIMKEIM – "Abfallprodukte der Gesellschaft" L'ATTENTAT – "Leipzig in Trümmern" PLANLOS - "Überall wohin's dich führt"
Abfallprodukte der Gesellschaft
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1984/85
L'Attentat - Leipzig in Trümmern
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Am Mikro Bernd Stracke, 1982/83
Planlos  - Überall wohins dich führt (DDR Punk)
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1982/83
SCHLEIMKEIM – "Abfallprodukte der Gesellschaft" L'ATTENTAT – "Leipzig in Trümmern" PLANLOS - "Überall wohin's dich führt"
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Aufgabe

Provokante Texte?

  1. Höre dir einen der drei Songs oben an. Notiere dir deine ersten Eindrücke, gehe dabei auf Musikstil, Text - soweit verständlich - und die Aufnahmequalität ein!
  2. Nenne mindestens ein Element, an dem Du erkennst, dass es sich bei dem Song um DDR-Punk handelt. Die Texte der Songs findest du übrigens hier: Abfallprodukte der GesellschaftLeipzig in TrümmernÜberall wohin´s dich führt)

3. Staatliche Reaktionen

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Die seit Anfang der 1980er Jahre in der DDR entstehende Punkszene wird vom Staat massiv überwacht, schikaniert und kriminalisiert. Ziel von SED und Staatssicherheit ist es schon früh, die Szene zu zerschlagen. Aussehen, Lebensführung, Namen und Songtexte werden vom Staat als klare Provokation und direkter Angriff verstanden. Keine der bekannten DDR-Jugendkulturen war in ähnlichem Maße staatlichen Unterdrückungsmaßnahmen ausgesetzt wie die Punks. 

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© Bundesarchiv, StUA, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, AOP, Nr. 3565/85, Bd. 1, Bl. 178

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Auch Kim vom Kapitelanfang gerät ins Visier der Staatsgewalt. Nach einer Aktion für einen Freund, der die DDR verlassen will, erstellt die Volkspolizei erkennungsdienstliche Fotos von Kim und ihren Freunden.

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Zwei Dresdner Punks berichten 1988 in einem Radiobeitrags des DDR-Piratensenders RADIO GLASNOST über Repressalien. Wegen ihres angeblichen "unästhetischen Aussehens" dürfen sie sich z.B. in bestimmten Bereichen der Innenstadt nicht frei bewegen.

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© RADIO GLASNOST

Archiv Buergerbewegung Leipzig / Audiobestand, Radio Glasnost: Mitschnitt der Sendung vom 28.11.1988, A-048-2

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4. NAMENLOS - eine Punk-Band wird verhaftet ...

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1983 wird zu einem Höhepunkt der staatlichen Verfolgung der Punkszene. Im August werden die Mitglieder der Berliner Band NAMENLOS nach einem Konzert in Ostberlin verhaftet und wegen "öffentlicher Herabwürdigung staatlicher Organe" angeklagt. Der Anlass: Die Texte der Band greifen heikle Tabu-Themen wie z.B. die Mauer zwischen Ost und West und die Nazi-Szene in der DDR auf.

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© Christiane Eisler

Christiane Eisler, transit leipzig

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Eigentlich besteht die DDR-Punk-Szene größtenteils aus Männern. Die Band NAMENLOS stellt eine Ausnahme dar. Schlagzeugerin Mita und Sängerin Jana bilden zusammen mit Gitarrist A-Micha und Bassist Frank die Band. Auf dem Foto siehst du (v.l.n.r.) Jana, eine Freundin und Mita von NAMENLOS auf Besuch in Leipzig im Frühjahr 1983.

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© Christiane Eisler

Christiane Eisler, transit Leipzig

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Mita von NAMENLOS hat im Frühjahr 1983 Spaß im Leipziger Seeburgviertel.

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© Christiane Eisler

Christiane Eisler, transit Leipzig

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Mita und Jana von NAMENLOS in einem verfallenem Haus im Leipziger Seeburgviertel im Frühjahr 1983.

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Namenlos - DDR Staatsgrenze
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Hört rein in das Lied "Staatsgrenze" von NAMENLOS!
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Text

"Staatsgrenze" von NAMENLOS

DDR-Staatsgrenze! 
Stehenbleiben oder ich schieße!!!

Elektrozaun und Stacheldraht
Damit sich niemand rüberwagt
Aus Ost und West

Selbstschuss und ein Minenfeld
Damit es uns hier gut gefällt
In Deutschland, Deutschland Ost

Mörder in den Grenztürmen
Verhindern unseren Weg zu euch
Nach Deutschland, Deutschland West

Hundstreifen tun beißen
Damit wir vor der Freiheit kneifen
Weil das nun mal so ist

Bluthund, Mauer, Stacheldraht
Unterstützen den KZ-Apparat
In unserem schönen (scheiß) Staat

Deutschland, Deutschland Ost
Deutschland, Deutschland West
Ost und West, Ost und West

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© Archiv Heldenstadt Anders e.V.

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A-Micha verschriftlichte den Liedtext später aus seiner Erinnerung.

Liedtext von ALTERNATIVE 13 (1979). NAMENLOS übernahm und sang es 1983.

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Aufgabe

Staatsgefährdend?

Stell dir vor, du würdest 1983 bei der Staatssicherheit der DDR arbeiten. Du wärst auf ein NAMENLOS-Konzert geschickt worden, um zu untersuchen, ob sich die Band "staatsgefährdend" oder "herabwürdigend gegenüber staatlichen Organen" verhält. Auf dem Konzert wird auch der Song "Staatsgrenze" gespielt. Verfasse einen Bericht an deinen Vorgesetzten, in denen du Band und Song einschätzt.

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© Foto: Christiane Eisler; Text: Michael Horschig

Foto: Christiane Eisler, transit Leipzig; Zitat: Michael Horschig: In der DDR hat es nie Punks gegeben. in: Ronald Galenza/ Heinz Havemeister (Hg.): Wir wollen immer artig sein ... . Berlin 1999. S. 33

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"... [es war] mit dem eigenen Körper praktizierter Widerstand, der im Brechen aller Tabus bestand." A-Micha über seine Band NAMENLOS
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Frank, Micha, Jana und Mita von NAMENLOS werden am 11. August 1983 in Berlin verhaftet. Man bringt sie in die Untersuchungshaft der Staatssicherheit. Mita, noch 17, wird nach sieben Wochen wieder freigelassen. Anfang Februar 1984 werden Jana und Micha zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt. Frank, der Bassist der Band, erhält ein Jahr Gefängnis.

Vorgeworfen wird ihnen "Herabwürdigung der staatlichen Organe in der Öffentlichkeit" (§ 220 Strafgesetzbuch der DDR). Gemeint sind kritische Lieder wie z.B. "Nazis wieder in Ostberlin", "MfS-Lied" oder "Gleichschritt". Berliner Kirchenleute solidarisieren sich beim Prozess mit ihnen. Die Kunde von ihrer Inhaftierung dringt sehr schnell auch nach Leipzig ...

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Jana im Video Jana im Podcast
Künstler*innen in der Friedlichen Revolution - Jana Schlosser - kurz
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Jana Schlosser von NAMENLOS im Interview über ihre Verhaftung 1983

Wenn du dich noch etwas ausführlicher über das Leben von Jana Schlosser informieren willst, findest du über diesen Link einen ZEIT-Podcast mit ihr, in dem sie von ihrer damaligen Punk-Zeit und der staatlichen Unterdrückung, der sie ausgesetzt war, berichtet.

Jana im Video Jana im Podcast

5. "Freiheit für Jana und Mita und A-Micha" ...

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© SStA Leipzig, BDVP 5220

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Leipzig-Grünau, 1983

... sprühen in der Nacht zum 16. August 1983 vier Jugendliche in Leipzig-Grünau an ein Trafohäuschen. Sie wollen damit gegen die Verhaftung ihrer Berliner Freunde von NAMENLOS vor wenigen Tagen protestieren und kommen schließlich selbst ins Gefängnis. Was ist passiert?

Sie sitzen an einem Montagabend mit Bekannten im Leipziger Neubauviertel Leipzig-Grünau, trinken etwas, färben sich die Haare, hören Musik und sehen fern. Bis "Fleischer", Connie und "Ratte", schon etwas angetrunken, nach Mitternacht auf die Idee kommen, "sprühen zu gehen". Die Wut über die Verhaftung der Freunde soll raus, sie wollen aktiv etwas tun. Von einem Bekannten um die Ecke holen sie sich Sprühdosen mit Autolack, der in der DDR nicht so leicht zu bekommen war. Der Bekannte begleitet sie auf ihrer übermütigen Tour durch das nächtliche Grünau.

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© SStA Leipzig, BDVP 5220

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... sprühen sie für ihre Berliner Freunde von NAMENLOS. A-Micha steht für Anarcho-Micha.

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© SStA Leipzig, BDVP 5220

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... kritisieren sie und beziehen sich dabei auf der Lied von NAMENLOS: "Nazis wieder in Ostberlin".

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© SStA Leipzig, BDVP 5220

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... sprühen sie auch. Die Leipziger Band HAU sang 1982/83 ein gleichnamiges Lied.

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© SStA Leipzig, BDVP 5220

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"Trinken für den Frieden, Schwerter zu Zapfhähnen." Hier gehen sie kreativ mit der Losung der DDR-Friedensbewegung "Schwerter zu Pflugscharen" um.

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© SStA Leipzig, BDVP 5220

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A wie Anarchismus ... Dieser steht, grob gesagt, für eine Gesellschaft ohne Herrschaft, in der Hierarchien aufgehoben sind. Im Mittelpunkt stehen Freiheit, Selbstbestimmung und kollektive Selbstverwaltung.

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Info

Geschichte einer Verhaftung

Die Polizei fotografiert alle Graffitis am nächsten Tag und stuft sie als "öffentliche Herabwürdigung" staatlicher Einrichtungen (§ 220 Strafgesetzbuch der DDR) ein. Im Rausch des Sprühens besprühten zwei junge Leute auch geparkte Autos. Der Aufschrei der Betroffenen am nächsten Morgen wird groß sein. Als die Sprüher:innen in die Wohnung von "Fleischer" zurückkehren, machen sich die anderen jungen Leute lieber schnell auf den Nachhauseweg. Sie fürchten, dass nach der Sprühaktion die Polizei am Morgen an der Tür klingelt.

Aber die weiß bereits Bescheid. Ein Polizist hatte die vier Jugendlichen nachts aus der Ferne gesehen. Sie waren ihm aber entwischt. Als ein Funkstreifenwagen an der Haltestelle nun die anderen Jugendlichen auf dem Nachhauseweg sieht, stoppt er und nimmt sie mit auf´s Revier.
Dort werden sie am nächsten Morgen verhört und sagen schließlich aus, was sie mitbekommen haben. Nun ist es zur Verhaftung der Sprayer:innen nicht mehr weit.

Juliane Thieme

Die Sprayer:innen

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Ratte Connie Fleischer
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© Christiane Eisler

Christiane Eisler, transit Leipzig

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Ratte aus Leipzig ist 1983 17 Jahre alt und seit zwei Jahren Punk. Als Bassist spielt er bei HAU. Er wird am Tag nach der Spühaktion nachmittags 15 Uhr zu Hause verhaftet, mit Kette und Handschellen abgeführt. Noch rechnet er lediglich mit einer Geldstrafe und einer Menge Ärger.
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© SStaL 5221, Bl. 92: Vernehmungsprotokoll vom 21.9.1983

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Ratte beschreibt sein Verhältnis zum Punk - Auszug aus einem Vernehmungsprotokoll. Seine Vernehmung am 21.9.1983 dauerte fast vier Stunden.
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© SStaL 5221, Bl. 108: Vernehmungsprotokoll vom 7.9.1983

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Ratte begründet die Sprühaktion - Auszug aus einem Vernehmungsprotokoll. Diese Vernehmung dauerte insgesamt über vier Stunden.
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© SStaL 5221, Bl. 67

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Von der Polizei bei der Wohnungsdurchsuchung beschlagnahmte Badges - Plaketten zum Anstecken - von Ratte. Verschiedene Leute hatten sie alle selbstgemacht.
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© Bundesarchiv, StUA, MfS, BV Lpz, KD Lpz-Stadt, Nr. 028270, S. 145

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Auch die Tafel aus Rattes Zimmer, wo sicher jede:r verewigen konnte, der Lust dazu hatte, wird von der Polizei beschlagnahmt.
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Archiv C. Mareth / Heldenstadt Anders e.V. Leipzig

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Connie ist bei der Sprühaktion 17 Jahre alt und wird auf ihrer Arbeitsstelle von einem Mitarbeiter der Staatssicherheit verhaftet: "Ich bin einfach sprühen gegangen, weil es mir gefällt, auf diese Weise meine Meinung zu äußern. Ich hatte Lust dazu."
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© SStaL, 5221, Bl. 35: Vernehmungsprotokoll vom 12.9.1983

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Warum sich Connie bei den Punks wohlfühlt, gibt sie bei ihrer Vernehmung zu Protokoll.
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© SStaL, 5221, Bl. 42, Vernehmungsprotokoll vom 16.08.2024

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Offen erläutert sie am Tag ihrer Inhaftierung ihre Motivation für die Sprühaktion.
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© SStaL, 5221, Bl. 39: Vernehmungsprotokoll vom 16.8.1983

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Aus der FDJ war Connie schon in der 9. Klasse ausgetreten.
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© Christiane Eisler

Christiane Eisler, transit Leipzig

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Der Mutter von Fleischer gehörte die Wohnung, wo sich die Jugendlichen 1983 treffen. Er ist gerade 18 geworden.
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© SStaL, BDVP 5220, Bl. 37

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Die Polizei beschlagnahmt auch Klamotten von Fleischer. Das T-Shirt zu Nina Hagen oben rechts hat er selbst mit Aufklebern und Spraydose gestaltet.
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© Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 26.8.1983, S. k.A.

LVZ vom 26.8.1983

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Zehn Tage nach der Sprühaktion veröffentlicht die Leipziger Volkszeitung die Erfolgmeldung der Volkspolizei. Zu den Inhalten der Grafitti ist nichts zu lesen.
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© SStAL 5226, Bl. 46: Urteil

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Fleischer erhält die höchste Haftsstrafe von 10 Monaten (vgl. 1.)
Ratte Connie Fleischer
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Aufgabe

Mutig?

  1. Lies dir die Vernehmungsprotokolle von Ratte und Connie in den Galerien oben durch. Das sind die Aussagen von zwei inhaftierten 17-Jährigen vor der Polizei. Verfasse eine Aussage einer gleichaltrigen Person in derselben Situation - festgenommen, im Polizeiverhör - die versucht, mit so wenig Strafe wie möglich davonzukommen. Die Fragen, auf die du dabei antworten musst, sind folgende:
    • Warum haben Sie die Parolen gesprüht?
    • Wie ist Ihr Verhältnis zur Punk-Szene?
    • Wie stehen Sie zur Verhaftung der Band NAMENLOS?
  2. Würdest du die Aussagen von Ratte und Connie als mutig bezeichnen? Begründe deine Antwort.
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Urheber: Olaf Meister

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Amtsgericht_Leipzig_2009.JPG

Cc3BYSA

Das heutige Amtsgericht (damals Kreisgericht) in der Leipziger Bernhard-Göring-Straße. Hier wurden die 1983 die drei Sprayer:innen verurteilt.

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Info

Die Urteilsverkündung

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© SStAL Nr. 5223, Bl. 119_Auszug

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Am 22. November 1983 gibt ein hinzugerufener Polizist seine Erinnerungen an die Urteilsverkündung zu Protokoll. SV = Strafvollzug

Connie erinnert sich im Jahr 2000:

"In der Bernhard-Göring-Straße sind wir dann ins Gerichtsgebäude geführt worden. Da sah ich dann noch kurz alle unsere Freunde am Eingang stehen. Sie hielten, als sie uns sahen, symbolisch die Faust hoch, und ich habe mich total gefreut. Rufen konnten sie ja nicht, denn dafür waren sie sofort abgegangen. Es war schon ziemlich gefährlich wegen uns dort zusammenzukommen.

Natürlich haben sie den kleinsten Saal genommen. Meine besten Freunde standen draußen. Rotz regte sich auf, warum er in Arbeitsklamotten nicht ins Gericht dürfte, als Arbeiter im Arbeiter- und Bauernstaat. Mein Vater war extra in einer zerrissenen Jeans da und einer alten Kutte und hat, als er reinkam, auch die Faust zu mir gemacht. Das hat mir viel bedeutet.

Sie haben die Urteilsverkündung so schnell runtergesprochen, dass ich gar nicht richtig verstand, was da nun eigentlich gesagt wurde. Fleischer bekam zehn Monate, Ratte sieben, Krützner acht Monate und ich neun. Gleich darauf zerrte man uns schon wieder weg. Mein Vater schrie noch irgendwas, wir sind schon wieder in Handschellen die Gänge des Gerichtsgebäudes langgerannt, Gang für Gang, bis auf den Hof. […] Man hat uns [...] hektisch über den Hinterausgang raus geschleust, weil vor dem Eingang unsere Freunde warteten.

Da haben sie vor uns Schiss gehabt, und das war ein sehr gutes Gefühl."

Hinweis: Die Urteilsverkündung fand am 18. November 1983 im damaligen Leipziger Kreisgericht Süd statt. Auf Veranlassung der Richterin durften nur vier Freunde aus dem Punk-Umfeld in den Gerichtssaal. Mit den Beamten des Strafvollzuges war festgelegt worden, dass die angeklagten Jugendlichen über den Hof abtransportiert werden sollten. Lies im folgenden Quellenauszug warum.

Zitat aus: Freiheit für Jana, Mita und A-Micha! in: C. Mareth/ R. Schneider: Haare auf Krawall. Jugendsubkultur in Leipzig 1980 bis 1991. 4. Auflage 2020, S. 104

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Aufgabe

Social Media gegen Ungerechtigkeit!

Stell dir vor, du wärst eine/r von Connies Freund:innen und willst nach der Urteilsverkündung auf ihre Geschichte aufmerksam machen. Anders als Connie, die dafür zur Spraydose greifen musste, ständen dir aber die digitalen Mittel des 21. Jahrhunderts zur Verfügung. Gehe über den folgenden Link auf die website zeoob.com . Dort kannst du einen fiktiven Instagram-Post erstellen. Erstelle einen Post zum Thema. Präsentiert euch eure Posts gegenseitig und diskutiert sie.